Lackierarbeiten im Innenraum: Hochglanz oder matt? - Die entscheidenden Unterschiede

Lackierarbeiten im Innenraum: Hochglanz oder matt? - Die entscheidenden Unterschiede
Heimwerken & Renovierung

Wenn du deine Wände, Türen oder Möbel neu streichst, stehst du vor einer einfachen, aber entscheidenden Frage: Hochglanz oder matt? Es geht nicht nur um Ästhetik. Die Wahl des Glanzgrads beeinflusst, wie dein Raum wirkt, wie leicht er zu reinigen ist und wie lange der Anstrich hält. Viele denken, Hochglanz ist modern und edel - doch in der Praxis ist das oft nicht der Fall. Und matt? Das ist nicht automatisch langweilig. Im Gegenteil: Die meisten Profis setzen heute auf matte oder seidenmatt Oberflächen - und das aus gutem Grund.

Was bedeutet Glanzgrad eigentlich?

Glanz wird nicht mit dem Auge gemessen, sondern mit einem Gerät, das Licht unter 60° Winkel auf die Oberfläche schickt und reflektiertes Licht in Gloss Units (GU) erfasst. Ein Hochglanzlack hat 90 GU oder mehr - er spiegelt wie ein Spiegel. Ein matt Lack liegt unter 20 GU. Da ist kein Glanz mehr zu sehen, nur eine gleichmäßige, weiche Oberfläche. Dazwischen gibt’s noch seidenmatt (30-60 GU) und glänzend (70-80 GU). Jeder Glanzgrad hat seine eigene Sprache - und seine eigenen Regeln.

Hochglanz: Der Blickfang mit Nachteilen

Hochglanz wirkt dramatisch. Er macht Farben lebendiger, betont Formen und schafft Tiefe. Deshalb wird er oft in Designermöbeln, Küchenfronten oder bei Akzentwänden eingesetzt. Aber er verzeiht nichts. Jeder Kratzer, jeder Fingerabdruck, jeder Staubfleck wird sichtbar. In der Küche, wo man täglich Kochen, Putzen und Kinderhände hat, ist das ein Problem. Ein Nutzer auf Reddit beschreibt es so: „Bei weißen Hochglanzfronten sieht man nichts - aber bei schwarz muss ich täglich nachwischen. Die Fingerabdrücke meiner Kinder sind wie ein Kalendar.“

Außerdem braucht Hochglanz einen perfekten Untergrund. Risse, Unebenheiten, schlecht verputzte Wände? Die werden nicht kaschiert - sie werden verstärkt. Profimaler Thomas Schlüter sagt: „In 90 % der Altbauten ist der Untergrund nicht gut genug für Hochglanz. Du musst mindestens zwei Grundierungen auftragen und drei Mal schleifen. Das kostet Zeit und Geld.“

Und dann ist da noch die Pflege. Hochglanz braucht spezielle Poliermittel, alle sechs Monate. Sonst verliert er seinen Glanz. Und in feuchten Räumen wie Badezimmern kann er sogar Kondenswasserprobleme verursachen - weil die Oberfläche zu dicht ist, um Feuchtigkeit zu „atmen“.

Matt: Die unsichtbare Lösung

Matt ist nicht langweilig. Es ist diskret. Es schluckt Licht. Und das ist sein größter Vorteil: Es versteckt alles, was nicht perfekt ist. Risse im Putz? Verschwunden. Kleine Unebenheiten? Nicht mehr sichtbar. Schmutz, der sich ansammelt? Er wird nicht reflektiert - er bleibt unsichtbar, bis du ihn mit dem Finger berührst.

Das ist der Grund, warum 58 % des Marktes heute matte Lacke nutzen - laut Statista 2024. Architekten, Renovierer und Privatleute wählen matt, weil es beruhigt. Es schafft eine sanfte Atmosphäre. Dr. Markus Ritter von Caparol sagt: „Matt erzeugt weiche Verläufe. Große Flächen wirken homogener, ruhiger, wohnlicher.“

Aber matt hat auch eine Kehrseite: Es ist anfälliger für Flecken. Wenn du eine matte Wand mit einem nassen Tuch abwischt, bleibt sie vielleicht sauber - aber die Stelle, die du berührt hast, kann leicht aufglänzen. Das nennt man „speckig werden“. Malermeister Schlüter warnt: „Wenn du die Wand zu oft reinigst, entstehen unschöne Flecken - besonders an Türrahmen oder hinter dem Sofa.“

Küchenfronten in drei Glanzgraden: hochglanz, matt und seidenmatt, mit schwebenden GU-Werten und einem Kind, das einen Abdruck hinterlässt.

Seidenmatt: Der Goldstandard

Der beste Kompromiss? Seidenmatt. Mit 30-60 GU hat es einen leichten Schimmer - genug, um den Raum heller wirken zu lassen, aber nicht genug, um Fingerabdrücke oder Kratzer zu zeigen. Es ist strapazierfähig, leicht zu reinigen und versteckt Unebenheiten besser als glänzend, aber nicht so anfällig für Flecken wie matt.

In der Fachzeitschrift Farbe und Lack wird seidenmatt als „optimaler Allrounder für Wohnräume“ bezeichnet. Ein Test auf Farbtester.de bestätigt das: Nach sechs Monaten in einer Kinderzimmertür zeigte die seidenmatt lackierte Tür kaum Abnutzung - während die Hochglanzvariante schon Kratzer hatte.

Und das Beste: Du kannst seidenmatt mit Rolle auftragen. Keine teure Sprühpistole nötig. Kein perfekter Untergrund erforderlich. Kein stundenlanges Schleifen. Das macht es für Heimwerker attraktiv - und für Profis die Standardlösung.

Wo setzt man was ein?

Es gibt keine einheitliche Antwort - aber klare Empfehlungen:

  • Wände im Wohnzimmer, Schlafzimmer, Flur: Matt oder seidenmatt. Sie verstecken Risse, wirken ruhig und sind pflegeleicht.
  • Türen, Türrahmen, Treppengeländer: Seidenmatt. Sie werden berührt, aber nicht täglich gereinigt. Der leichte Glanz macht sie elegant, ohne zu blenden.
  • Küchenfronten: Hochglanz, wenn du weiß oder hell bist und täglich putzt. Sonst: matt oder seidenmatt. Dunkle Hochglanzfronten sind ein Alptraum - Fingerabdrücke überall.
  • Badezimmer: Seidenmatt. Hochglanz kann Kondenswasserprobleme verursachen. Matt ist zu anfällig für Schmutz.
  • Altbauten: Nur matt oder seidenmatt. Hochglanz wirkt unpassend - und zeigt jede alte Risse, jeden Schimmelansatz.

Die Zukunft liegt in der Kombination

Die Trends zeigen klar: Matt und seidenmatt gewinnen. Bis 2026 sollen 75 % aller Innenraumlacke in diesen Bereichen liegen, sagt Caparol. Die Messe imm cologne 2025 zeigte bereits 82 % matte oder seidenmatt lackierte Möbel. Warum? Weil Menschen nicht mehr nach perfekten Spiegeln suchen - sondern nach Ruhe, Wärme und Echtheit.

Aber die Zukunft ist nicht nur „matt“. Sie ist differenziert. Architektin Prof. Anja Weber von der HfG Offenbach sagt: „Die besten Räume kombinieren Glanzgrade. Matt an der Wand, seidenmatt an den Türen, ein kleiner Hochglanz-Akzent an der Kücheninsel. So schaffst du Tiefe - ohne zu überladen.“

Ein neuer Hybridlack (Projekt HYBRILACK) versucht sogar, die Vorteile von beiden zu verbinden: Die Kaschierung von matt mit der Reinigungsfreundlichkeit von Hochglanz. Er hat einen Glanz von 35 GU - also genau im seidenmatt-Bereich - und bleibt über fünf Jahre stabil. Das könnte der neue Standard werden.

Aufgeteiltes Zimmer: alte Wand mit Mattlack versteckt Unvollkommenheiten, moderne Wand mit Hochglanz bricht ab, mittendrin glühende Hybridfarbe.

Was du wirklich brauchst

Wenn du jetzt loslegst, vergiss das „Muss“: Hochglanz ist nicht moderner. Matt ist nicht langweiliger. Es geht um die Funktion und den Kontext.

  • Willst du eine alte Wand verstecken? Dann nimm matt.
  • Willst du eine Tür leicht hervorheben? Dann nimm seidenmatt.
  • Willst du eine Küche, die du täglich putzt? Dann kannst du Hochglanz nehmen - aber nur, wenn du bereit bist, täglich zu putzen.
Und vergiss nicht: Die richtige Grundierung ist wichtiger als der Glanzgrad. Ein hochwertiger Lack auf schlechtem Untergrund sieht immer schlecht aus - egal ob matt oder glänzend.

Was du nicht tun solltest

- Nicht Hochglanz auf Wände im Schlafzimmer oder Wohnzimmer streichen - es wirkt kalt und klinisch.

- Nicht matte Farbe in der Küche nehmen, wenn du sie nicht regelmäßig reinigst - sie zieht Schmutz an wie ein Magnet.

- Nicht glänzende Lacke in feuchten Räumen verwenden - sie können Feuchtigkeit einfangen und Schimmel fördern.

- Nicht mit billigen Produkten sparen - die verfärben sich, blättern ab oder verlieren ihren Glanz nach einem Jahr.

Was du tun solltest

- Kaufe hochwertige Dispersionsfarben - sie haben weniger VOC, sind umweltfreundlicher und halten länger.

- Teste die Farbe an einer kleinen Stelle - nicht nur die Farbe, sondern auch den Glanzgrad. Einmal auf der Wand, wirkt sie anders als im Farbton.

- Reinige matte Oberflächen nur mit einem leicht feuchten Tuch - niemals mit Scheuermitteln.

- Wenn du unsicher bist: Wähle seidenmatt. Es ist der sicherste, vielseitigste und beliebteste Glanzgrad.

Ist Hochglanz besser für die Küche?

Hochglanz ist nur dann besser, wenn du die Küchenfronten täglich mit Mikrofasertuch reinigst. Sonst ist seidenmatt oder matt die bessere Wahl. Hochglanz zeigt Fingerabdrücke, besonders bei dunklen Farben. Matt zieht Schmutz an, aber er ist weniger auffällig. Seidenmatt bietet den besten Kompromiss: leicht zu reinigen, ohne zu spiegeln.

Warum wird matt wieder so beliebt?

Weil Menschen moderne Räume nicht mehr als perfekt, sondern als wohnlich wahrnehmen. Matt versteckt Unebenheiten, wirkt ruhig und beruhigend. Es ist eine Reaktion auf die Überflutung mit glänzenden Oberflächen in den 2000er Jahren. Außerdem emittieren matte Lacke 15-20 % weniger flüchtige organische Verbindungen - das ist besser für die Luftqualität im Haus.

Kann man matt lackierte Wände einfach neu streichen?

Ja, das ist einfacher als bei Hochglanz. Du musst nicht schleifen, wenn die alte Farbe intakt ist. Eine Grundierung reicht aus. Bei Hochglanz musst du die Oberfläche abschleifen, sonst haftet die neue Farbe nicht. Das macht matt für Renovierungen viel praktischer - besonders in Altbauten.

Welcher Glanzgrad ist am langlebigsten?

Seidenmatt. Es hält besser als Hochglanz, weil es nicht so anfällig für Kratzer ist, und es ist weniger anfällig für Flecken als matt. Es ist der einzige Glanzgrad, der sowohl ästhetisch als auch praktisch über Jahre hinweg überzeugt. Hochglanz verliert seinen Glanz, matt wird speckig - seidenmatt bleibt stabil.

Muss ich bei Hochglanz eine Sprühpistole verwenden?

Ja, das empfehlen Fachverbände wie der DMLV. Hochglanzlacke zeigen jede Unebenheit - selbst kleine Rollenstriche oder Pinselstriche. Nur mit einer Sprühpistole bekommst du eine gleichmäßige, glatte Oberfläche. Für Heimwerker ist das oft nicht machbar. Deshalb ist Hochglanz meist nur für Profis sinnvoll.