Wenn Sie in einem älteren Haus wohnen, könnte Ihre Wasserleitung ein unsichtbares Gesundheitsrisiko bergen: Blei. Obwohl es seit 1973 verboten ist, neue Bleirohre zu verlegen, gibt es in Deutschland noch rund 53.000 Gebäude mit Bleileitungen - im Hausanschluss oder sogar innerhalb der Wohnung. Und die Frist zum Austausch läuft: Bis zum 12. Januar 2026 müssen alle Bleileitungen entfernt oder stillgelegt sein. Wer das nicht tut, riskiert nicht nur hohe Bußgelder, sondern auch langfristige Schäden an der Gesundheit - besonders bei Kindern.
Warum Blei im Wasser so gefährlich ist
Blei ist kein Stoff, den man einfach ignoriert. Es ist ein Schwermetall, das sich im Körper anreichert - und zwar schon bei winzigen Mengen. Das Umweltbundesamt sagt klar: Sobald Wasser durch Bleirohre fließt, ist der gesetzliche Grenzwert von 0,010 mg pro Liter praktisch nicht mehr einzuhalten. Und ab 2028 wird dieser Wert noch mal halbiert: auf 0,005 mg/l. Das ist kein Zufall. Studien zeigen, dass bei Kindern bereits Konzentrationen von 5 Mikrogramm pro Liter neurologische Entwicklungsstörungen messbar sind. Die Folgen? Geringere Konzentration, Lernschwierigkeiten, verminderte Intelligenzquotienten. Erwachsene leiden unter Bluthochdruck und Nierenschäden. Es gibt keine sichere Dosis. Deshalb ist der Austausch keine Option - er ist Pflicht.
Was die neue Trinkwasserverordnung wirklich verlangt
Die novellierte Trinkwasserverordnung vom Juni 2023 ist kein Vorschlag - sie ist Gesetz. Und sie lässt keine Spielräume. Nicht nur ganze Bleileitungen müssen raus, sondern auch einzelne Teilstücke. Selbst wenn nur ein paar Zentimeter Blei in einer Kupferleitung eingebaut sind, kann das reichen, um das Wasser zu kontaminieren. Das Umweltbundesamt hat das mehrfach bestätigt: Blei wirkt wie ein Gift, das durch elektrochemische Reaktionen mit anderen Metallen freigesetzt wird. Deshalb ist auch eine Beschichtung mit Epoxidharz keine Lösung. Diese sogenannten „Innenschichtungen“ verhindern zwar kurzfristig den Kontakt, aber sie brechen mit der Zeit ab. Und dann kommt nicht nur Blei, sondern auch Bisphenol A (BpA) ins Wasser - ein weiterer Schadstoff, der hormonell wirkt. Der neue Grenzwert für BpA liegt bei 0,0025 mg/l, und bei Warmwasser wird er oft überschritten.
Wie Sie feststellen, ob Ihre Leitungen aus Blei sind
Die gute Nachricht: Sie müssen kein Experte sein, um zu prüfen, ob Blei in Ihren Leitungen steckt. Schauen Sie in den Keller oder den Hausanschlussraum. Bleirohre sind meist grau-blau, weich und haben eine matte Oberfläche. Nehmen Sie einen Schraubendreher und kratzen Sie vorsichtig an einer Stelle. Blei lässt sich leicht einkrätzen - es verformt sich, bleibt aber grau. Kupfer dagegen ist härter, rötlich und glänzt. Wenn Sie unsicher sind, nehmen Sie ein kleines Stück ab (nur wenn es sichtbar ist) und bringen Sie es zu einem Schadstofflabor oder zum Gesundheitsamt. Dort wird es kostenlos analysiert. Viele Wasserversorger bieten auch kostenlose Probenentnahme an. Machen Sie es nicht zu lange - die Frist läuft.
Was ist die richtige Sanierung? Kupfer oder Kunststoff?
Es gibt zwei zulässige Materialien für den Austausch: Kupfer und zertifizierte Kunststoffrohre (PEX, PE-RT, PB). Beide erfüllen die Anforderungen der Trinkwasserverordnung. Kupfer ist langlebig, robust und hat eine lange Tradition. Aber es ist teurer und erfordert mehr Fachwissen beim Einbau. Kunststoffrohre sind preiswerter, leichter zu verlegen und besonders gut für Sanierungen in bestehenden Gebäuden geeignet, wo Wände oder Böden nicht komplett aufgebrochen werden dürfen. Wichtig: Nur Rohre mit dem GS-Zeichen oder der DVGW-Zertifizierung dürfen verwendet werden. Alles andere ist verboten. Und vergessen Sie nicht: Der Austausch muss von einem Fachbetrieb nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik durchgeführt werden. Eigenbau ist keine Option - und könnte später Haftungsprobleme verursachen.
Kosten: Was Sie wirklich bezahlen müssen
Die Kosten für den Austausch variieren stark. Ein Einfamilienhaus mit mittlerem Leitungsnetz kostet durchschnittlich zwischen 8.000 und 12.000 Euro. In Hamburg liegt der Durchschnitt bei 8.200 Euro, in Berlin bei 9.500 Euro. Größere Mehrfamilienhäuser können bis zu 15.000 Euro kosten - je nach Zugänglichkeit der Leitungen und ob Wandöffnungen nötig sind. Aber: Es gibt Hilfe. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BAB) bietet Fördermittel für Eigentümer, die nicht über die nötigen Mittel verfügen. In Bremen wurden im ersten Halbjahr 2025 42 % mehr Anträge gestellt als im Vorjahr - das zeigt, wie viele Menschen Unterstützung brauchen. Auch Kommunen wie Hamburg oder Berlin haben eigene Förderprogramme. Fragen Sie beim zuständigen Bezirksamt nach. Und vergessen Sie nicht: Ein Sanierungsantrag kann bis zu acht Wochen Wartezeit für einen Handwerker bedeuten. Planen Sie frühzeitig.
Was Sie nicht tun sollten: Die gefährlichen Übergangslösungen
Im Internet finden Sie viele „clevere“ Lösungen: Beschichtungen, Filter, Wasserenthärter, „Blei-Blocker“. Aber die Verbraucherzentralen warnen: Das sind alles nur Täuschungsmanöver. Eine Epoxidharz-Innenschicht hört sich gut an - aber sie bricht ab. Ein Filter am Wasserhahn reduziert Blei nur vorübergehend - und nur, wenn er regelmäßig gewechselt wird. Und selbst dann: Er filtert nicht alles. Besonders gefährlich sind Filter, die auf Aktivkohle basieren - sie können Bakterien wachsen lassen, wenn sie nicht gewechselt werden. Und wer glaubt, „nur kaltes Wasser zu trinken“ sei sicher, irrt. Blei löst sich nicht nur beim Warmwasser - es kann auch in kaltem Wasser über Stunden oder Tage aus den Rohren ausgewaschen werden. Die einzige sichere Lösung: Vollständiger Austausch. Alles andere ist Risiko.
Was passiert, wenn Sie nichts tun?
Die Konsequenzen sind ernst. Wer die Frist verpasst, riskiert ein Bußgeld von bis zu 25.000 Euro. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Wenn Sie eine Wohnung verkaufen, müssen Sie den Käufer ungefragt über Bleileitungen informieren - sonst kann er den Vertrag anfechten und Schadensersatz verlangen. Mietverträge können ungültig werden, wenn der Mieter nachweist, dass das Trinkwasser gesundheitsschädlich ist. Und falls Ihr Kind später neurologische Probleme entwickelt, könnte ein Gericht Sie haftbar machen - selbst wenn Sie „nicht gewusst“ haben. Die rechtliche Verantwortung liegt beim Betreiber des Gebäudes - das ist meist der Eigentümer, nicht der Mieter. Informieren Sie Ihre Mieter unverzüglich, wenn Sie Bleileitungen haben. Das ist Pflicht.
Wie Sie jetzt handeln: Ein konkretes Vorgehen
- Prüfen Sie sichtbare Leitungen im Keller oder Hausanschluss - kratzen Sie mit einem Schraubendreher.
- Wenn Sie unsicher sind: Kontaktieren Sie Ihr Gesundheitsamt oder einen Sanitär-Fachbetrieb für eine kostenlose Analyse.
- Informieren Sie sich über Fördermöglichkeiten bei der BAB oder Ihrem Bezirksamt.
- Buchen Sie einen Termin bei einem zertifizierten Sanitär-Unternehmen - Wartezeiten können bis zu acht Wochen betragen.
- Verlangen Sie einen schriftlichen Sanierungsplan mit Materialangaben (Kupfer oder DVGW-zertifizierter Kunststoff).
- Informieren Sie Mieter oder Mitbewohner schriftlich über die geplante Sanierung.
- Halten Sie alle Belege - Rechnungen, Bescheinigungen, Nachweise - für mindestens zehn Jahre.
Die Zeit drängt. Im Jahr 2020 gab es noch 15 % mehr Gebäude mit Bleileitungen als heute. Die Zahl sinkt - aber die letzten 53.000 sind die schwersten. Sie sind oft in Altbauten, in Mietshäusern, in Wohnungen, die niemand mehr sanieren will. Aber Sie können etwas tun. Nicht nur für sich. Sondern auch für die nächste Generation.
Ist es erlaubt, Bleileitungen einfach abzuschalten, ohne sie zu ersetzen?
Ja, aber nur unter strengen Bedingungen. Sie dürfen eine Bleileitung stilllegen, wenn Sie sie komplett vom Trinkwassersystem trennen - also keine Wasserentnahme mehr über sie stattfinden kann. Das bedeutet: Sie müssen alle Armaturen, die an dieser Leitung angeschlossen sind, abklemmen und die Leitung dicht verschließen. Der Austausch ist aber immer die bessere und sicherere Lösung, weil Stilllegungen oft fehlerhaft durchgeführt werden und später wieder in Betrieb genommen werden können - was rechtliche und gesundheitliche Risiken mit sich bringt.
Kann ich als Mieter den Austausch verlangen?
Ja. Als Mieter haben Sie das Recht, vom Vermieter einen sicheren und gesundheitlich unbedenklichen Zustand der Wohnräume zu verlangen. Bleileitungen gelten als wesentlicher Mangel der Mietsache. Sie können den Vermieter schriftlich auffordern, die Leitungen innerhalb einer angemessenen Frist auszutauschen. Wenn er nicht handelt, können Sie die Miete mindern oder sogar die Kosten selbst vorstrecken und sie vom Mietzins abziehen - nach vorheriger schriftlicher Ankündigung. Die Verbraucherzentrale empfiehlt, immer einen schriftlichen Brief zu schreiben und eine Kopie zu behalten.
Was passiert, wenn ich ein Haus mit Bleileitungen kaufe?
Der Verkäufer ist verpflichtet, Ihnen vor Vertragsabschluss zu sagen, ob Bleileitungen vorhanden sind. Wenn er das verschweigt, können Sie den Kaufvertrag innerhalb von zwei Jahren anfechten und Schadensersatz verlangen - sogar, wenn Sie das Haus schon bewohnen. Die Rechtsprechung ist hier eindeutig: Blei ist ein bekanntes, gesundheitsgefährdendes Risiko. Wer es verschweigt, handelt arglistig. Prüfen Sie daher vor dem Kauf immer den Zustand der Wasserleitungen - und lassen Sie sich einen schriftlichen Nachweis über den Austausch geben, falls er schon erfolgt ist.
Brauche ich einen neuen Wasserzähler nach der Sanierung?
Nicht automatisch. Aber nach der Sanierung muss das Wasserversorgungsunternehmen die Anlage prüfen und eine neue Trinkwasser-Prüfbescheinigung ausstellen. In einigen Fällen, besonders wenn die Leitungen stark verunreinigt waren, wird ein neuer Zähler installiert, um sicherzustellen, dass keine Rückstände mehr im System sind. Fragt den Wasserversorger - er ist verpflichtet, Ihnen nach der Sanierung einen Prüfbericht zu geben.
Gibt es eine Verlängerung der Frist bis 2026?
Nein. Die Frist bis zum 12. Januar 2026 ist gesetzlich festgelegt und gilt für alle Gebäude gleich. Es gibt keine allgemeine Verlängerung. Einzelne Bezirksämter können in Ausnahmefällen - etwa bei schwer zugänglichen Leitungen oder extremer Witterung - eine kurze Verzögerung von wenigen Wochen gewähren, aber nur mit schriftlichem Antrag und nachweislichem Fortschritt. Warten Sie nicht - beginnen Sie jetzt mit der Planung.
2 Kommentare
Petra Möller Dezember 12 2025
Diese ganzen Vorschriften sind doch nur ein riesiger Schikane-Parcours für kleine Leute! Wer soll das denn bezahlen? Ich verdien’ knapp über Mindestlohn und soll jetzt 10.000 Euro für Rohre ausgeben? Die Politik denkt immer, wir sitzen in Villen mit Swimmingpool. Blei? Ja, ist doof. Aber erstmal hilft mir ein Kaffee und ein bisschen Hoffnung.
price astrid Dezember 12 2025
Interessant, dass man hier so emotional über Metalllegierungen spekuliert, als wäre es eine metaphysische Frage der Existenz. Blei ist nicht das Problem - das Problem ist die kapitalistische Logik, die menschliche Gesundheit in Kosten-Nutzen-Rechnungen übersetzt. Die Trinkwasserverordnung ist ein Symbol für die Kollektive Verantwortung, die wir verlernt haben. Und nein, Kupfer ist nicht die Lösung - es ist nur eine andere Form der Kolonialisierung des Hauses.