Bodengleiche Übergänge im Bestand: So schaffen Sie barrierefreie Zugänge ohne Schwelle

Bodengleiche Übergänge im Bestand: So schaffen Sie barrierefreie Zugänge ohne Schwelle
Heimwerken & Renovierung

Stellen Sie sich vor, Sie rollen mit dem Rollator durch die Wohnung - und an der Tür zum Badezimmer bleibt alles stehen. Eine kleine Schwelle, kaum sichtbar, aber für Sie eine unüberwindbare Barriere. Oder Ihr Enkelkind stolpert über den Übergang vom Flur ins Bad. Solche Situationen sind nicht nur unangenehm, sie sind gefährlich. Und doch gibt es sie überall: in Altbauten, in Wohnungen, die vor 20 Jahren gebaut wurden, in Häusern, die damals als „normal“ galten. Die gute Nachricht: bodengleiche Übergänge sind heute machbar - selbst im Bestand. Und sie sind nicht nur ein Plus für Menschen mit Behinderungen, sondern für alle, die Sicherheit, Komfort und Zukunftsfähigkeit wollen.

Was ist ein bodengleicher Übergang wirklich?

Ein bodengleicher Übergang ist kein „fast eben“ oder „fast ohne Schwelle“. Er ist eine Null-Schwelle. Das bedeutet: Kein Höhenunterschied zwischen zwei Räumen. Kein Risiko zum Stolpern. Kein Hindernis für Rollstühle, Rollatoren, Kinderwagen oder Rollböcke. Die DIN 18040-2, die aktuellste Fassung von 2019, sagt klar: Nur wenn der Übergang keinen Versprung von mehr als 2 cm hat, gilt er als barrierefrei. Und selbst diese 2 cm sind nur erlaubt, wenn sie technisch einwandfrei umgesetzt sind - besonders in Bädern, wo Wasser abfließen muss.

Das klingt einfach. Aber in einem alten Haus, wo die Bodenkonstruktionen aus Beton, Holz oder Ziegel bestehen, ist das eine komplexe Aufgabe. Es geht nicht darum, einfach eine neue Fliese zu verlegen. Es geht um Abdichtung, Gefälle, Tragfähigkeit und Wasserführung. Ein bodengleicher Übergang ist keine Standardlösung - er ist eine Sonderkonstruktion, die genau geplant werden muss.

Warum ist das im Bestand so schwierig?

In Neubauten ist es relativ einfach: Alles wird neu gebaut, die Rohre liegen frei, die Decken sind offen. Im Bestand ist das anders. Die Bodenkonstruktion ist festgelegt. Die Heizungsrohre laufen darunter. Die Abdichtung ist schon da. Die Wandanschlüsse sind verputzt. Und oft: Die Tragfähigkeit des Bodens ist nicht für eine neue Belagschicht ausgelegt.

Dazu kommt das rechtliche Durcheinander. Nach dem Bundesbehindertengleichstellungsgesetz (BGG) gibt es keine Verpflichtung, bestehende Wohnungen barrierefrei zu machen - es sei denn, es findet ein wesentlicher Umbau statt. Und selbst dann: Die Baubehörde kann nur dann fordern, dass auch andere Bereiche angepasst werden, wenn der Aufwand nicht unverhältnismäßig ist. Das ist ein Graubereich. Viele Sanierungen laufen ohne Baugenehmigung ab - besonders wenn es nur um Fliesen oder Wandanstrich geht. Und dann wird oft vergessen: Auch bei kleinen Arbeiten kann eine Schwelle eine Barriere bleiben.

Das Problem: Die meisten Menschen denken, „barrierefrei“ heißt „für den Rollstuhl“. Aber es geht um viel mehr. Es geht um ältere Menschen, die sich nicht mehr so gut heben können. Um Eltern mit Kinderwagen. Um Menschen mit Gelenkproblemen. Um jemanden, der gerade einen Knöchel verstaucht hat. Eine Null-Schwelle ist kein Luxus - sie ist eine Grundvoraussetzung für Selbstständigkeit im eigenen Zuhause.

Wie funktioniert eine bodengleiche Lösung im Bad?

Das Bad ist der kritischste Ort. Hier fließt Wasser. Hier ist die Gefahr von Schimmel und Feuchtigkeit am größten. Und hier ist der Übergang zur Dusche am wichtigsten. Die DIN 18040-2 erlaubt ein Absenken von bis zu 2 cm in den Duschbereich - aber nur, wenn die gesamte Konstruktion wasserdicht ist. Das bedeutet: Die Abdichtung muss nicht nur unter der Fliese, sondern auch unter dem Übergangsbereich durchgehend sein. Keine Lücken. Keine Übergänge zwischen verschiedenen Materialien, die undicht werden können.

Die Lösung? Rinnenförmige Entwässerungsroste. Sie werden in den Boden eingelassen, direkt an der Übergangslinie. Sie haben ein Gefälle von mindestens 2 %, damit das Wasser nicht steht. Und sie sind so konstruiert, dass sie mit dem Bodenbelag nahtlos verbunden werden - ohne Stufen, ohne Kanten. Einige Systeme, wie die von Schlüter-Systems oder Schüco, sind speziell für diesen Einsatz entwickelt worden. Sie bestehen aus einem wasserdichten Unterbau, einem wärmeisolierten Träger und einem Rost, der mit den Fliesen verfugt wird. Manche Systeme sind sogar beheizbar - das verhindert Kondenswasser und macht den Boden angenehmer.

Wichtig: Der Duschbereich darf nicht tiefer liegen als der Rest des Bades. Sonst läuft das Wasser nicht ab. Und er muss in die Bewegungsfläche des Bades einbezogen werden - also mindestens 120 cm × 120 cm Platz für eine Drehung im Rollstuhl. Das ist kein „Bonus“, das ist Vorschrift.

Eine Familie mit Kinderwagen, Gehstock und Rollstuhl überquert gemeinsam einen bodengleichen Übergang.

Was kostet ein bodengleicher Übergang im Bestand?

Es gibt keine Standardpreise. Aber aus Erfahrung: Ein einfacher Übergang zwischen Flur und Bad kostet zwischen 200 und 800 Euro zusätzlich - je nach Aufwand. Warum so viel? Weil es nicht nur um Fliesen geht. Es geht um:

  • Entfernen des alten Bodens bis zur Rohdecke
  • Neuaufbau der Tragkonstruktion, wenn nötig
  • Einbau einer durchgehenden Abdichtung
  • Installation eines speziellen Entwässerungssystems
  • Neuverlegung des Bodenbelags mit perfektem Gefälle
  • Abdichtung der Wandanschlüsse

Das ist keine Fliesenlegerei - das ist eine kleine Baustelle. Aber: Viele Kommunen fördern diese Maßnahmen. In Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Baden-Württemberg gibt es Zuschüsse von bis zu 50 % der Kosten - besonders wenn ein Bewohner älter als 65 ist oder eine Behinderung hat. Die Förderung läuft über die Kommune oder die Wohnungsbaugesellschaft. Fragen Sie immer nach - oft wissen die Bauherren nicht, dass es das gibt.

Was passiert ab 2025?

Der Bund hat einen neuen Entwurf vorgelegt: Das Barrierefreie-Bauen-Gesetz (BBauG). Ab 2025 soll es für öffentliche Gebäude gelten - und ab 2027 auch für neue Wohngebäude. Das bedeutet: In jedem neuen Bad, das gebaut wird, muss es einen bodengleichen Übergang geben. Das ist ein großer Schritt. Aber es betrifft noch nicht den Bestand. Und genau hier liegt die größte Herausforderung: 80 % aller Wohnungen in Deutschland sind älter als 20 Jahre. Die meisten haben noch Schwellen. Und die werden nicht einfach verschwinden.

Die Industrie reagiert. Systeme werden modularer, leichter zu installieren, kostengünstiger. Die durchschnittliche Umsetzungszeit pro Raum liegt heute bei 2 bis 3 Tagen - wenn alles gut geplant ist. Aber das ist nur möglich, wenn die richtigen Fachleute dabei sind. Eine Fliesenlegerin allein reicht nicht. Es braucht eine Planerin, die weiß, wie die Abdichtung funktioniert. Wer die Entwässerung einbaut. Wer das Gefälle berechnet.

Querschnitt eines bodengleichen Badübergangs mit verborgenen Abdichtungsschichten und wärmenden Entwässerungssystemen.

Was sollten Sie tun, wenn Sie umbauen?

Wenn Sie im Bestand sanieren - egal ob Sie älter werden, Kinder bekommen oder ein Familienmitglied behindert ist - dann fragen Sie sich: Was brauche ich wirklich? Und was kann ich heute schon machen, damit es morgen sicher ist?

So gehen Sie vor:

  1. Prüfen Sie alle Übergänge: Flur zu Bad, Bad zu Terrasse, Wohnzimmer zu Küche. Wo gibt es Höhenunterschiede?
  2. Setzen Sie Prioritäten: Das Bad ist der wichtigste Ort. Dann die Eingangstür. Dann der Übergang zur Terrasse.
  3. Holen Sie sich eine fachliche Einschätzung. Nicht von einem Verkäufer, sondern von einer Planerin für barrierefreies Bauen. Die finden Sie über die Kammern der Architekten oder über spezialisierte Beratungsstellen.
  4. Prüfen Sie Fördermöglichkeiten. In fast jeder Kommune gibt es einen Ansprechpartner für barrierefreie Sanierung.
  5. Planen Sie die Abdichtung als Kernstück - nicht als Nachtrag. Wenn die Abdichtung nicht stimmt, wird der Übergang in zwei Jahren undicht.

Und vergessen Sie nicht: Ein bodengleicher Übergang ist kein Zeichen von Schwäche. Er ist ein Zeichen von Weitsicht. Er macht Ihr Zuhause sicherer - für Sie, für Ihre Familie, für Ihre Gäste. Und er erhöht den Wert Ihrer Immobilie. Denn wer heute baut, baut für das Leben - nicht nur für die nächsten fünf Jahre.

Was ist der größte Fehler bei der Umsetzung?

Der größte Fehler? Denken, dass „fast bodengleich“ reicht. Eine Schwelle von 1,5 cm mag für Sie unsichtbar sein. Aber für jemanden mit einem Rollstuhl oder einem Rollator ist das eine Klippe. Oder denken, dass eine neue Fliese das Problem löst. Das tut sie nicht. Die Fliese liegt oben - aber darunter ist immer noch die alte Konstruktion mit Höhenunterschied. Der Übergang bleibt ein Hindernis.

Ein weiterer Fehler: Die Entwässerung ignorieren. Wenn das Wasser nicht abfließen kann, entsteht Schimmel. Und Schimmel ist nicht nur ungesund - er zerstört die Struktur. Deshalb: Kein bodengleicher Übergang ohne Gefälle. Kein Gefälle ohne Prüfung. Keine Prüfung ohne Fachmann.

Was kommt als Nächstes?

Die Zukunft der barrierefreien Sanierung liegt in der Digitalisierung. Apps, die das Gefälle berechnen. 3D-Modelle, die zeigen, wie der Übergang später aussehen wird. Und in der Zusammenarbeit: Architekten, Bauingenieure, Fliesenleger und Bewohner sitzen zusammen - und planen nicht nur den Boden, sondern das Leben im Raum.

Es ist kein Wunder, dass die Nachfrage steigt. 7,9 Millionen Menschen mit schweren Behinderungen leben in Deutschland. Die meisten wollen in ihrer Wohnung bleiben - bis ins hohe Alter. Und sie haben das Recht darauf. Ein bodengleicher Übergang ist kein Luxus. Er ist die Grundlage dafür, dass Menschen unabhängig bleiben. Und das ist es wert, richtig gemacht zu werden.

Ist ein bodengleicher Übergang wirklich nötig, wenn niemand im Haus einen Rollstuhl nutzt?

Ja. Barrierefreiheit geht nicht nur um Rollstühle. Sie schützt auch ältere Menschen, die sich schwerer heben können, Eltern mit Kinderwagen, Menschen mit Gelenkproblemen oder Verletzungen. Eine Schwelle von nur 1 cm kann schon ein Stolperrisiko sein. Ein bodengleicher Übergang macht das Zuhause sicherer für alle - und erhöht den Wert der Immobilie langfristig.

Kann ich einen bodengleichen Übergang selbst bauen?

Nur wenn Sie über fundierte Kenntnisse in Abdichtungstechnik, Gefälleplanung und Baukonstruktion verfügen. Die meisten DIY-Lösungen scheitern an der Wasserdichtigkeit. Ein falsch verlegtes Rostsystem oder eine undichte Naht führt nach ein oder zwei Jahren zu Schimmel, Feuchtigkeitsschäden und teuren Reparaturen. Es ist riskant und oft teurer als die professionelle Lösung.

Welche Förderung gibt es für bodengleiche Übergänge?

Viele Kommunen und Bundesländer fördern barrierefreie Umbauten mit Zuschüssen von bis zu 50 %. In Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Baden-Württemberg gibt es spezielle Programme für Senioren und Menschen mit Behinderungen. Die Förderung gilt oft für Maßnahmen im Bad, an der Eingangstür oder im Treppenhaus. Fragen Sie bei Ihrer Stadtverwaltung oder der Wohnungsbaugesellschaft nach - oft ist die Information schwer zu finden, aber verfügbar.

Muss ich einen bodengleichen Übergang bauen, wenn ich nur die Fliesen erneuere?

Nein, wenn es nur um eine optische Erneuerung geht und keine baulichen Veränderungen an der Tragkonstruktion oder der Abdichtung erfolgen. Aber: Wenn Sie die Fliesen entfernen und den Boden neu aufbauen - dann ist es ein wesentlicher Umbau. Dann können Sie die Gelegenheit nutzen, den Übergang barrierefrei zu gestalten. Und in vielen Fällen ist das auch rechtlich sinnvoll, denn Sie vermeiden zukünftige Anforderungen.

Wie erkenne ich eine professionelle Lösung für bodengleiche Übergänge?

Eine professionelle Lösung hat drei Merkmale: 1) Sie nutzt ein zertifiziertes System (z. B. von Schlüter oder Schüco), 2) sie dokumentiert das Gefälle und die Abdichtung mit Plänen, 3) sie bietet eine Gewährleistung für die Wasserdichtigkeit. Fragt ein Handwerker: „Wie hoch soll die Schwelle sein?“, dann ist das ein Warnsignal. Eine echte Lösung spricht von „Null-Schwelle“ und „durchgehender Abdichtung“.