Historische Gebäude mit Natursteinfassaden sind mehr als nur Stein und Mauerwerk. Sie sind Zeugen der Zeit - und genau deshalb brauchen sie eine sanfte, aber fundierte Pflege. Wer einen Denkmalstein reinigt, als wäre es ein Küchenboden, riskiert, das Erbe zu zerstören. Sandstrahlen? Ein No-Go. Chemische Reiniger aus dem Baumarkt? Eine Zeitbombe. Die richtige Sanierung von Naturstein im Denkmal braucht Wissen, Geduld und Fachwissen - und das beginnt nicht mit dem ersten Sprühstrahl, sondern mit der Analyse.
Warum Naturstein im Denkmal nicht wie jeder andere Stein behandelt wird
Naturstein ist kein einheitliches Material. Ein Sandstein aus dem 15. Jahrhundert hat andere Eigenschaften als ein Marmor aus dem 19. Jahrhundert. Er ist porös, mineralisch verändert, durch Witterung, Luftverschmutzung und biologischen Befall angegriffen. Die Oberfläche ist nicht nur verschmutzt - sie ist verändert. Und genau das macht die Sanierung so komplex. Laut Ulrich Gräf von der Universität Heidelberg ist jeder Stein ein historisches Produkt geologischer Prozesse. Das bedeutet: Was bei einem neuen Gebäude funktioniert, ist beim Denkmal verboten.Denkmalschutzbehörden in Deutschland, wie das Thüringer Landesamt für Denkmalpflege, verbieten seit Jahren das herkömmliche Sandstrahlen. Es trägt bis zu 1,5 Millimeter Stein ab - das ist kein Reinigen, das ist Abrasion. Und das ist irreversibel. Auch Hochdruckreiniger über 120 Bar sind tabu: 85 Prozent der Fälle mit Schäden an Fassaden gehen auf unsachgemäße Hochdruckreinigung zurück, wie die Architektenkammer Baden-Württemberg dokumentiert hat.
Die fünf sichersten Reinigungsverfahren - und was sie kosten
Nicht alle Reinigungsverfahren sind gleich. Es gibt eine klare Hierarchie, die sich an der Schonung der Substanz orientiert. Die TU München hat 2021 eine Studie veröffentlicht, die diese Rangfolge bestätigt:- Laserreinigung: Schonungsgrad 95 %. Ideal für Skulpturen, filigrane Details, empfindliche Steine wie Marmor oder Kalkstein. Entfernt Schmutz, Ruß, Graffiti - ohne mechanischen Kontakt. Kosten: 180-250 €/m². Aber: 30-60 Minuten pro Quadratmeter. Langsam, aber präzise.
- MEOS/JOS-Verfahren: Verwirbeltes Luft-Wasser-Strahlgemisch mit Körnungen unter 0,3 mm. Schonungsgrad 85 %. Reinigt bis zu 0,05 mm tief - das ist kaum messbar. Ideal für Fassaden mit unterschiedlichen Steinarten. Kosten: 90-120 €/m². Geschwindigkeit: 1-2 m²/h.
- Trockeneisstrahlen: Kälte von -78,5 °C macht Schmutz zur Gasphase. Kein Rückstand, keine Feuchtigkeit. Besonders effektiv bei Graffiti und Ruß. Schonungsgrad 80 %. Kosten: 110-150 €/m². Die Deutsche Gesellschaft für Denkmalpflege nennt es „die schonendste Methode zur Graffitientfernung“. Nutzerberichte von der Reinigung des Münchner Rathauses bestätigen: 1.200 m² in sechs Wochen, mit drei verschiedenen Düsen.
- Heißdampfreinigung: 95 °C heißes Wasser bei 80-130 Bar. Gute Wahl für weniger empfindliche Steine wie Granit. Kosten: 60-90 €/m². Schnell: 5-15 Minuten pro m². Aber: Bei weichen Steinen wie Sandstein kann Feuchtigkeit ins Innere dringen und Frostschäden verstärken.
- Niederdrucksandstrahlen: Maximal 3 Bar Druck, Körnung unter 0,3 mm. Nur noch als letzte Option. Schonungsgrad nur 50 %. Kosten: 60-80 €/m². Trotzdem: Viele Betriebe verzichten darauf - zu groß ist das Risiko.
Chemische Reiniger? Ein gefährliches Spiel. Saure Mittel (pH 2-4) bei Kalkstein oder Marmor? Das ist wie Essig auf eine Marmorplatte - nur viel schlimmer. Prof. Dr. Markus Hecht von der FH Erfurt belegt: Ein unsachgemäßer saurer Reiniger kann bis zu 0,5 mm Stein pro Anwendung abtragen. Und das ist kein „leichter Abrieb“ - das ist Materialverlust. Alkalische Mittel (pH 9-11) sind sicherer für empfindliche Steine, aber: 57 Prozent aller dokumentierten Schäden an historischen Fassaden gehen auf falsch angewendete Chemie zurück, warnt Ulrich Gräf. Und: Wer nach der Reinigung nicht richtig neutralisiert, hinterlässt Salze, die später ausblühen.
Festigung: Wenn der Stein zerbröckelt
Reinigen ist nur die erste Hürde. Wenn der Stein bröckelt, wenn er porös geworden ist, dann braucht er Festigung - aber nur nach der Reinigung. Dr. Petra Schmidt vom Deutschen Zentrum für Denkmalpflege sagt klar: „Verunreinigungen blockieren die Eindringtiefe von Festigungsmitteln um bis zu 60 Prozent.“Das Standardmittel heute ist KSE 35 von Remmers. Ein silikatbasiertes Konsolidierungsmittel, das bis zu 15 mm tief in den Stein eindringt. Es erhöht die Druckfestigkeit um 25-40 % und reduziert die Wasseraufnahme um 70 %. Das bedeutet: Weniger Frostschäden, weniger Salzausblühungen. Die Anwendung ist einfach - aber nicht einfach zu machen. Es braucht mindestens zwei Schichten, mit 24 Stunden Trocknungszeit dazwischen. Und: Es muss auf sauberem Stein aufgetragen werden. Sonst nutzt es nichts.
Neue Forschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) seit 2024 entwickelt nanostrukturierte Festigungsmittel, die bis zu 25 mm eindringen sollen. Noch in der Testphase - aber vielversprechend. Die Zukunft liegt in tieferer Eindringtiefe, ohne die Oberfläche zu verändern.
Ersatzsteine: Die Suche nach dem passenden Zwilling
Manchmal bleibt keine Wahl: Ein Stein ist zu stark beschädigt. Dann muss er ersetzt werden. Aber nicht jeder Stein passt. Ein Ersatzstein muss nicht nur aussehen wie der alte - er muss sich auch verhalten wie er.Die DIN 68251:2018-09 schreibt vor: Jeder Ersatzstein muss mineralogisch analysiert werden. Das bedeutet: Röntgenbeugung (XRD) und petrografische Untersuchung. Nur so weiß man, ob der neue Stein die gleiche Porosität, die gleiche Mineralzusammensetzung, die gleiche Härte hat wie der Original. Eine Farbanalyse mit Spektralfotometrie ist Pflicht - sonst wird der Stein später anders verwittern und auffallen.
Die Suche dauert durchschnittlich 6-8 Wochen. Die Kosten: 450-700 € für die Analyse, plus 800-2.500 € pro Kubikmeter Stein. Sandstein ist günstiger, Marmor teuer. Die Deutsche Steinmetzinnung sagt: 75 Prozent der Denkmalsteine in Deutschland brauchen Sanierung - aber nur 30 Prozent der Ersatzsteine werden richtig ausgewählt. Das führt zu ungleichmäßiger Verwitterung, Farbunterschieden, und am Ende zu einer Fassade, die nicht mehr authentisch wirkt.
Die Dokumentation: Dein Beweis für die Zukunft
Jede Sanierung an einem Denkmal muss dokumentiert werden. Das ist kein Bürokratie-Quatsch - das ist Teil der Erhaltung. Die Bundesdenkmalämter verlangen:- Fotos vor, während und nach der Maßnahme
- Materialproben von Stein und Reinigungsmitteln
- Detaillierte Beschreibung des verwendeten Verfahrens
- Ergebnisse der Voruntersuchung (z. B. Testflächen)
68 Prozent der großen Betriebe nutzen heute 3D-Scanning - ein digitaler Abdruck des Steins, den man später wieder aufrufen kann. Das ist nicht nur für die Behörde wichtig - es ist für zukünftige Restauratoren. Denn eines Tages wird jemand anders wieder an diesem Stein arbeiten. Und er muss wissen, was du getan hast.
Was du als Eigentümer oder Bauherr beachten musst
Du hast ein Denkmal, und du willst es sanieren? Dann vermeide diese drei Fehler:- Nicht mit dem billigsten Anbieter starten. Ein günstiges Angebot ist oft ein Zeichen für unsachgemäße Methoden. Die Kosten für eine falsche Reinigung liegen oft 5-10 Mal höher als die für eine fachgerechte.
- Nicht auf „schnell und einfach“ setzen. Eine Reinigung dauert Wochen, nicht Tage. Die Testflächen müssen 14 Tage beobachtet werden. Wer das überspringt, riskiert Schäden.
- Nicht auf „was funktioniert“ vertrauen. Was bei deinem Haus funktioniert, funktioniert nicht bei einem Denkmal. Ein Stein aus dem 17. Jahrhundert ist kein moderner Beton.
Und: Nutze Fördermittel. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen fördert Denkmalpflege mit bis zu 40 Prozent der Kosten über das Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“. Aber: Du brauchst eine fachliche Begleitung. Nur so wird die Förderung genehmigt.
Die Zukunft der Denkmalpflege: Weniger Chemie, mehr Technik
Die Branche verändert sich. Die EU-Forschungsinitiative „StoneCare“ entwickelt ein Laser-Trockeneis-Kombiverfahren, das die Reinigungsgeschwindigkeit um 40 % erhöht. Steinrein GmbH hat ein biologisch abbaubares Strahlgut entwickelt - das reduziert die Umweltbelastung um 65 %. Und ab 2025 wird es eine „Denkmalpflege-Prüfung“ geben - obligatorisch für alle Handwerker, die an historischen Steinen arbeiten.Aber es gibt ein großes Problem: Der Fachkräftemangel. Bis 2030 gehen 45 Prozent der erfahrenen Steinrestauratoren in den Ruhestand. Jährlich werden nur 15 neue Fachkräfte ausgebildet. Die Lücke wird größer. Und die Kosten steigen - um 5,3 Prozent pro Jahr, wie Statista 2023 berechnet hat.
Was bedeutet das für dich? Wenn du ein Denkmal hast: Ziehe die Sanierung nicht hinaus. Ein kleiner Schaden wird groß. Ein falscher Reiniger macht das Unwiederbringliche. Und die Zeit, um es richtig zu machen, wird immer knapper.
Kann ich Naturstein im Denkmal mit Wasser und Bürste reinigen?
Ja - aber nur bei sehr geringem Befall und nur mit destilliertem Wasser. Leitungswasser enthält Mineralien, die sich im Stein ablagern und Ausblühungen verursachen. Eine weiche Bürste aus Naturborste ist akzeptabel, aber nur als Ergänzung - nicht als Hauptmethode. Bei stärkerem Befall wie Algen, Flechten oder Ruß ist das nicht ausreichend. Es reicht nicht, um die Substanz zu schützen.
Warum ist Laserreinigung so teuer?
Laserreinigung ist teuer, weil sie hochpräzise Technik erfordert: spezielle Lasersysteme, geschultes Personal, langer Arbeitsaufwand pro Quadratmeter. Die Geräte kosten bis zu 100.000 €. Aber sie schützen die Substanz am besten. Bei Skulpturen, Inschriften oder filigranen Fassaden ist sie die einzige Methode, die keinen Materialverlust verursacht. Die Kosten sind hoch - aber die Alternativen kosten mehr, wenn sie schaden.
Ist Trockeneisstrahlen sicher für alle Steine?
Ja - fast alle. Trockeneisstrahlen ist besonders schonend, weil es keine mechanische Belastung und keine Feuchtigkeit hinterlässt. Es funktioniert bei Sandstein, Kalkstein, Marmor und Granit. Der einzige Nachteil: Es braucht mehrere Düsen, wenn verschiedene Steinarten auf derselben Fassade vorhanden sind. Aber es ist die Methode mit der niedrigsten Schadensquote - nur 0,3 Prozent bei korrekter Anwendung.
Was passiert, wenn ich chemische Reiniger verwende?
Du riskierst irreversible Schäden. Saure Reiniger bei Kalkstein oder Marmor lösen das Mineral auf - bis zu 0,5 mm pro Anwendung. Das ist nicht sichtbar, aber es schwächt den Stein. Alkalische Mittel können Salze mobilisieren, die später ausblühen und die Oberfläche weiß verfärben. 57 Prozent aller dokumentierten Schäden an historischen Fassaden gehen auf unsachgemäße Chemie zurück. Es ist kein Reinigen - es ist Zerstörung.
Wie finde ich einen seriösen Fachbetrieb?
Frage nach der Qualifikation: Hat der Betrieb eine Ausbildung in Steinrestaurierung? Arbeitet er mit den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Denkmalpflege (DGfD)? Kann er Testflächen zeigen? Verlangt er eine Materialanalyse? Ein seriöser Betrieb bietet keine Pauschalangebote - er analysiert, testet, dokumentiert. Schau dir Referenzen an - besonders bei ähnlichen Denkmälern. Und vermeide Anbieter, die „Sandstrahlen“ oder „Hochdruckreinigung“ als Standard anbieten.
2 Kommentare
Hanna Kim Dezember 13 2025
Ich hab letztes Jahr die Fassade meines alten Hauses mit Laser reinigen lassen – und ja, es war teuer. Aber als ich den alten Stein nach 3 Wochen wieder gesehen hab, hab ich geweint. Nicht wegen der Kosten. Sondern weil er wieder atmet. Endlich.
Nessi Schulz Dezember 13 2025
Die genannten Verfahren sind korrekt und entsprechen den aktuellen Leitlinien der DGfD. Besonders hervorzuheben ist die strikte Ablehnung von Hochdruckreinigung – eine der häufigsten Ursachen für irreparable Schäden an historischen Fassaden. Die Dokumentationspflicht ist kein bureaucracy, sondern ein ethischer Imperativ der Denkmalpflege.