Festes Angebot vs. inflationsbasierte Tokens: Wie die Geldpolitik von Kryptowährungen den Wert formt

Festes Angebot vs. inflationsbasierte Tokens: Wie die Geldpolitik von Kryptowährungen den Wert formt
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Was bestimmt den Wert einer Kryptowährung? Nicht nur die Technik, nicht nur die Nutzerzahl - sondern vor allem, wie viele Tokens es geben wird und wie schnell neue hinzukommen. Das ist Tokenomics - die Geldpolitik hinter Kryptowährungen. Und sie entscheidet, ob eine Währung als digitales Gold gilt oder als Treibstoff für ein dezentrales Netzwerk.

Der feste Geldbestand: Wie Bitcoin wie Gold funktioniert

Bitcoin hat eine klare Regel: Es gibt nur 21 Millionen BTC. Nie mehr. Diese Zahl wurde 2008 von Satoshi Nakamoto festgelegt und seitdem nicht verändert. Jeder neue Bitcoin, der durch Mining entsteht, nähert sich diesem Limit an - und wird dabei immer seltener. Nach dem Halving im April 2024 beträgt die Belohnung für jeden Block nur noch 3,125 BTC. Das bedeutet: Die jährliche Inflation von Bitcoin fiel von 1,8 % auf 0,87 %. Bis 2140 wird sie praktisch null erreichen.

Diese Knappheit ist kein Zufall. Sie ist bewusst als Gegenpol zur Fiat-Währung konzipiert. Während die US-Notenbank oder die EZB Geld drucken können, um Schulden zu finanzieren, kann niemand neue Bitcoins erschaffen. Das macht Bitcoin für viele zu einem sicheren Hafen in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit. Laut Fidelity Digital Assets’ Bericht von 2023 bevorzugen 68 % der institutionellen Investoren festen Geldbestand für langfristige Anlagen. Und Messari bestätigt: Bitcoin dominiert mit 70 % Anteil den Marktsegment „Wertspeicher“ unter Kryptowährungen.

Andere Coins wie Binance Coin (BNB) nutzen einen ähnlichen Ansatz - aber mit einem Twist: Sie verbrennen regelmäßig Tokens. Im Januar 2024 wurden über 20 Millionen BNB vernichtet - ein Wert von 103 Millionen US-Dollar. Das reduziert die Gesamtmenge und erhöht theoretisch den Wert jedes verbleibenden Tokens. Diese Kombination aus festem Maximum und aktiver Vernichtung nennt man „deflationär“. Aber Vorsicht: Nicht jeder, der „deflationär“ sagt, ist es auch. 37 % der als deflationär beworbenen Tokens hatten 2023 trotzdem ein wachsendes Angebot - durch versteckte Team-Unlockings oder vesting-Pläne.

Inflationsbasierte Tokens: Warum man neue Coins drucken muss

Nicht alle Kryptowährungen wollen Knappheit. Manche brauchen Wachstum. Ethereum, Solana, Cosmos - sie alle haben kein festes Limit. Sie drucken kontinuierlich neue Tokens, um Entwickler, Validator und Nutzer zu belohnen. Das ist kein Fehler - das ist Absicht.

Beispiel: Cosmos Hub. Sein Inflationsrate schwankt zwischen 7 % und 20 %, je nachdem, wie viele Nutzer ihre Tokens staken. Je mehr staken, desto niedriger die Inflation. Das sorgt dafür, dass das Netzwerk sicher bleibt. Wenn zu wenige staken, steigt die Belohnung - und zieht mehr Teilnehmer an. Es ist ein dynamisches Gleichgewicht, das Bitcoin nicht hat.

Dogecoin ist ein anderes Extrem: 10.000 DOGE pro Block, ohne Ende. Das ergibt jährlich etwa 5 Milliarden neue Coins. Bei einem aktuellen Umlauf von 148,5 Milliarden DOGE ist das eine Inflation von 3,37 %. Klingt hoch? Ja. Aber Dogecoin dient nicht als Wertspeicher. Es ist ein Zahlungsmittel, ein Memecoins, ein Anreizsystem. Wer hier Wert speichern will, verliert jedes Jahr fast 3,4 % Kaufkraft - es sei denn, der Preis steigt um mindestens diesen Betrag. Ein Nutzer auf Reddit schreibt: „Ich vermeide inflationsbasierte Tokens, weil ich jährlich 3,3 % Preissteigerung brauche, nur um auf der Stelle zu treten.“

Ethereum hat einen Hybridansatz. Vor EIP-1559 (August 2021) war es rein inflationsbasiert. Seitdem wird ein Teil der Transaktionsgebühren vernichtet. In Zeiten hoher Netzwerknutzung - wie beim NFT-Boom 2021 - wurde mehr ETH verbrannt als neu erstellt. An 168 Tagen im Jahr 2023 war Ethereum deflationär. Das bedeutet: Die Gesamtmenge sank. Und trotzdem hat Ethereum kein festes Maximum. Das ist bewusst. Vitalik Buterin sagt: „Inflationsmodelle schaffen die nötige Flüssigkeit für DeFi-Ökosysteme - aber sie müssen sorgfältig abgestimmt werden.“

Ethereum als lebendiger Baum mit Transaktionswurzeln, verbrennenden Flammen und Staking-Engeln auf den Ästen.

Die wirtschaftlichen Konsequenzen: Sicherheit, Volatilität und Anreize

Ein fester Geldbestand fördert Vertrauen - aber nicht unbedingt Nutzung. Bitcoin ist sicher, aber seine Transaktionsgebühren sind oft hoch, weil Miner nur noch durch Gebühren bezahlt werden. Inflationsbasierte Tokens hingegen zahlen ihre Sicherheitsleistung direkt mit neuen Coins. Das macht sie attraktiv für Netzwerke mit vielen Transaktionen.

Polkadot (DOT) hat eine maximale Inflationsrate von 10 %. Das führt zu einer hohen Staking-Beteiligung: 52,3 % aller DOT sind gestaked. Das macht das Netzwerk sicher. Aber es hat auch einen Preis: Die Preisvolatilität von Polkadot lag 2023 bei 87,4 % - deutlich höher als die von Bitcoin mit 63,2 %. Wer in inflationsbasierte Tokens investiert, muss damit rechnen, dass der Preis stark schwankt - nicht nur wegen der Nachfrage, sondern auch wegen der neuen Token, die ins System fließen.

Und dann gibt es noch die regulatorische Dimension. Die SEC betrachtet Bitcoin als Ware - weil es kein Governance- oder Investitionsmerkmal hat. Inflationsbasierte Tokens mit Governance-Rechten - wie Cosmos oder Polkadot - werden oft als Wertpapiere eingestuft. Das hat Konsequenzen. Ripple (XRP) hatte 100 Milliarden Tokens von Anfang an präminiert. Doch die SEC verklagte Ripple 2020 wegen unzulässiger Wertpapieremission. Der Preis fiel 68 % tiefer als Bitcoin während der 28 Monate des Rechtsstreits. Ein fester Geldbestand schützt vor solchen Angriffen - weil es keine „Verkäufer“ gibt, die neue Tokens an Investoren verkaufen.

Was ist der richtige Ansatz? Es kommt auf den Zweck an

Es gibt keine universell beste Lösung. Es gibt nur die beste Lösung für einen bestimmten Zweck.

Wenn du einen digitalen Wertspeicher suchst - etwas, das über Jahrzehnte hinweg Wert behält - dann ist Bitcoin oder ein ähnlicher fester Geldbestand die klare Wahl. Seine Inflation sinkt jedes Jahr. Sein Angebot ist unveränderlich. Es ist die digitale Version von Gold - mit besserer Übertragbarkeit.

Wenn du aber ein dezentrales Netzwerk nutzt - etwa um Smart Contracts auszuführen, NFTs zu handeln oder DeFi-Protokolle zu nutzen - dann brauchst du Anreize. Du brauchst Belohnungen für Validator, Entwickler und Nutzer. Hier funktioniert inflationsbasierte Geldpolitik besser. Solana hat mit einer 8 %igen Inflation Entwicklerstipendien finanziert - und dadurch die täglichen aktiven Adressen von 2022 bis 2023 um 1.200 % gesteigert. Das ist Wachstum, das durch Geldpolitik getrieben wird.

Ethereum zeigt, dass man beides kombinieren kann. Die Inflation ist fast verschwunden. Die Verbrennung macht das Netzwerk manchmal deflationär. Und trotzdem bleibt es flexibel - weil kein fester Maximalwert existiert. Das ist der Weg der Zukunft: dynamische Geldpolitik, die sich an die Nutzung anpasst. Celestia, ein neues Blockchain-Netzwerk, hat genau das implementiert: Die Inflation steigt oder fällt je nach Anzahl der Validator.

Ein Ritter mit festem Bitcoin-Angebot neben einem wilden Jongleur, der inflationsbasierte Tokens wirft, umgeben von vesting-Schleifen.

Wie du deine Investitionen bewertest - 3 praktische Regeln

Wenn du in Kryptowährungen investierst, solltest du nicht nur den Preis anschauen. Du musst die Geldpolitik verstehen. Hier sind drei einfache Regeln:

  1. Berechne die effektive Inflation: Schau nicht nur auf die jährliche Neuprägung. Schau auf alle Quellen, die neue Tokens ins System bringen - Staking-Rewards, Team-Unlockings, DAO-Vergütungen. Nutze TokenUnlocks.app, um geplante Freigaben zu sehen. Im November 2023 waren über 127 Milliarden US-Dollar an Tokens in Vesting-Plänen gebunden.
  2. Subtrahiere Inflation von Rendite: Ein Token bietet 18 % Staking-Rendite? Gut. Aber wenn die Protokoll-Inflation 15 % beträgt, bleibt dir nur 3 % echter Gewinn. Das nennt man „Netto-Yield“. Coinbase empfiehlt, diesen Wert immer zu berechnen.
  3. Frage: Was ist der Zweck? Willst du Wertspeicher? Dann wähle festes Angebot. Willst du an einem wachsenden Ökosystem teilhaben? Dann akzeptiere Inflation - aber nur, wenn das Protokoll klare, transparente Regeln hat.

Ein Nutzer auf Trustpilot schreibt: „Ich brauchte drei Wochen, um Tokenomics zu verstehen. Jetzt vermeide ich alle Tokens mit mehr als 5 % jährlicher Inflation - es sei denn, sie haben echte Nutzung.“

Die Zukunft: Kein Entweder-Oder, sondern Abhängigkeit vom Kontext

Die Debatte zwischen Bitcoin-Maximalisten und Ethereum-Pragmatikern wird weitergehen. Michael Saylor sagt: „Nur festes Angebot schafft echte Geldstabilität.“ Vitalik Buterin sagt: „Wir brauchen Experimente, nicht Dogmen.“

Die Realität liegt dazwischen. Institutional Investors wie BlackRock haben Bitcoin-ETFs beantragt - und explizit die „vorhersehbare, sinkende Inflation“ als Hauptargument genannt. Fidelity empfiehlt jetzt: „Bewerte Tokens nicht nach ihrem Preis, sondern nach ihrem inflationsbereinigten Rendite.“

Was bedeutet das für dich? Du musst nicht wählen zwischen Gold und Werkzeug. Du musst verstehen, welches Werkzeug du brauchst. Ein Hammer ist nicht besser als ein Schraubendreher - er ist nur anders. Bitcoin ist kein „besserer“ Coin als Ethereum. Er ist einfach ein anderer. Und die Zukunft gehört nicht dem, der den härtesten Geldbestand hat - sondern dem, der die richtige Geldpolitik für den richtigen Zweck wählt.