Wenn du eine Wohnung kaufst, stehst du vor einer der wichtigsten Entscheidungen deines Lebens. Altbau oder Neubau? Beide haben ihre Fans, ihre Fallgruben und ihre ganz eigenen Regeln. Keine von beiden ist per se besser. Aber was für dich richtig ist, hängt davon ab, was du wirklich willst - und was du bereit bist, dafür zu tun.
Altbau: Charme mit Kosten
Ein Altbau ist mehr als ein Haus. Es ist Geschichte in den Wänden. Hohe Decken, Stuck an der Decke, alte Holztreppen, Fenster, die sich noch mit einem Schlüssel öffnen - das ist kein Marketing, das ist echtes Leben. Und das schätzen viele. In Berlin, München oder Hamburg liegt fast jede achte Wohnung in einem Gebäude, das vor 1970 gebaut wurde. Und die Nachfrage steigt. Laut ImmobilienScout24 stieg sie 2023 um 18 %.
Doch Charme hat seinen Preis. Nicht nur im Kaufpreis - sondern in der Nachbearbeitung. Ein unrenovierter Altbau hat oft einen Energiebedarf von bis zu 250 % gegenüber modernen Standards. Das heißt: Du zahlst jährlich bis zu 1.200 € mehr an Heizkosten als bei einem Neubau. Und das ist nur der Anfang.
Versteckte Mängel sind die größte Überraschung. 45 % der Altbauten haben unerwartete Probleme: feuchte Wände, alte Bleirohre, instabile Decken, kaputte Elektrik. Eine Sanierung kostet zwischen 400 und 1.000 € pro Quadratmeter. Das kann leicht 50.000 € oder mehr werden. Aber: Du bekommst Förderung. Bis zu 20 % der Sanierungskosten werden vom Staat erstattet - bis 2026 soll das sogar auf 25 % steigen.
Die Deckenhöhe ist ein echter Trumpf. 2,80 bis 3,50 Meter sind normal. In Neubauten sind es oft nur 2,40 bis 2,60 Meter. Das macht den Raum nicht nur größer - es macht ihn auch luftiger, freundlicher, wertvoller. Und die Zimmer sind größer: 20-25 m² pro Raum, im Neubau oft nur 15-18 m².
Aber: Du musst Geduld haben. Eine Sanierung dauert 12 bis 18 Monate. Und wenn das Gebäude unter Denkmalschutz steht, darfst du nicht einfach die Fenster austauschen. Die Stiftung Denkmalschutz warnt: Viele Umbauten sind gar nicht erlaubt. Du musst dich mit Behörden auseinandersetzen, mit Architekten, mit Genehmigungen. Das ist kein DIY-Projekt.
Neubau: Technik mit Grenzen
Ein Neubau ist wie ein neues Smartphone: alles modern, alles perfekt - bis es nicht mehr funktioniert. Du bekommst eine Wärmedämmung mit U-Wert von 0,15-0,25 W/(m²K). Das ist 5-mal besser als bei einem unrenovierten Altbau. Die Heizkosten sind 40-60 % niedriger. Bei einer 100-m²-Wohnung sparst du 800-1.200 € pro Jahr. Das klingt verlockend.
Und die Technik? Modern. Fußbodenheizung, Lüftungsanlagen, Smart-Home-Systeme, LED-Beleuchtung, doppelte Verglasung - alles eingebaut. Die Lebensdauer von Heizungen liegt bei 15-20 Jahren. In Altbauten musst du nach 10 Jahren oft schon reparieren.
Aber: Was du siehst, ist oft das einzige, was du bekommst. Die Architektur ist standardisiert. 35 % weniger Gestaltungsmöglichkeiten als bei Altbauten. Keine Stuckverzierungen, keine Holzbalken, keine individuelle Raumgestaltung. Viele Menschen beschweren sich nach zwei Jahren: Die Decken sind zu niedrig, die Räume zu eng, die Fassade langweilig.
Und dann sind da die Mängel. 35 % der negativen Bewertungen von Neubauten betreffen Ausstattungsprobleme: Risse in den Wänden, undichte Fenster, kaputte Heizkörper. Ein Nutzer berichtete auf Trustpilot: „Nach zwei Jahren hatte ich Risse - der Bauträger weigerte sich, sie kostenlos zu reparieren.“
Die Bauzeit ist kürzer: 6-9 Monate vom Kauf bis zur Übergabe. Aber die Baukosten? 1.800-2.500 € pro Quadratmeter. Das ist 15-20 % teurer als ein vergleichbarer Altbau. Und die Versicherungskosten sind 15-20 % niedriger - aber nur, weil die Risiken geringer sind. Ein Neubau ist kein „Fehler-frei“-Produkt. Er ist ein Produkt mit Garantie - und oft mit hohen Erwartungen.
Was kostet wirklich?
Der Kaufpreis ist nur der Anfang. Ein Altbau kostet oft 15-20 % weniger - aber du musst mit Sanierungskosten von 30-40 % der Kaufsumme rechnen. Ein Neubau ist teurer im Kauf, aber nur 5-10 % an Modernisierungskosten in den ersten 10 Jahren.
Rechne mal nach: Du kaufst einen Altbau für 300.000 €. Sanierung: 100.000 €. Förderung: 20.000 €. Gesamtkosten: 380.000 €. Du kaufst einen Neubau für 360.000 €. Keine Sanierung. Gesamtkosten: 360.000 €. Auf den ersten Blick gewinnt der Neubau. Aber: Die Altbau-Wohnung hat 25 m² pro Zimmer, der Neubau nur 17 m². Du bekommst mehr Raum für weniger Geld - wenn du bereit bist, zu investieren.
Und die Amortisation? Die höheren Energiekosten eines Altbaus amortisieren sich in 8-12 Jahren - wenn du sanierst. Ohne Sanierung? Dann zahlt du jährlich mehr - für immer.
Wo liegt die Zukunft?
2024 ist ein Wendepunkt. Das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) verlangt für Neubauten einen Primärenergiebedarf von maximal 55 %. Das ist der KfW-55-Standard. Bis 2030 sollen 75 % aller Neubauten den KfW-40-Standard erreichen - das ist fast Passivhaus-Niveau. Das macht Neubauten immer effizienter.
Aber die Altbauten verändern sich auch. Bis 2026 wird die Integration von Smart-Home-Technik in Altbauten um 40 % steigen. Du kannst heute eine alte Heizung durch eine Wärmepumpe ersetzen, die Fenster modernisieren, die Wände dämmen - und trotzdem den Stuck lassen. Die Technik passt sich an - nicht umgekehrt.
Und die Nachfrage? Die Deutsche Bank Research warnt: Baukosten steigen. Material, Zinsen, Arbeitskräfte - alles wird teurer. Bis 2025 könnten Neubauten 15-20 % teurer werden. Das macht Altbauten wieder attraktiver - besonders in zentralen Lagen. Der Immobilienverband IVD prognostiziert: Die Nachfrage nach charmanten Altbaus in Städten steigt bis 2027 um weitere 25 %.
Was solltest du wählen?
Wähle einen Altbau, wenn:
- Du Wert auf Raum, Licht und Geschichte legst
- Du bereit bist, Zeit und Geld in Sanierung zu investieren
- Du in einer zentralen Lage wohnen willst
- Du dich mit Behörden und Architekten auseinandersetzen kannst
- Du langfristig investierst - nicht nur kaufst
Wähle einen Neubau, wenn:
- Du niedrige laufende Kosten willst
- Du keine Renovierungspflicht willst
- Du modernste Technik und Energieeffizienz priorisierst
- Du dich auf klare Verträge und Garantien verlassen willst
- Du in einer neuen Siedlung oder Randlage wohnen kannst
Es gibt keinen perfekten Kauf. Aber es gibt einen richtigen für dich. Frag dich: Was ist dir wichtiger - der Charme, oder die Bequemlichkeit? Die Geschichte, oder die Zukunft? Die Räume, oder die Rechnung?
Ein Altbau ist ein Projekt. Ein Neubau ist eine Lösung. Beide sind Immobilien. Nur eine davon bleibt dein Zuhause - die andere bleibt nur eine Adresse.
Was du jetzt tun kannst
- Gehe in deine Lieblingsstadt und schau dir mindestens drei Altbauten und drei Neubauten an - nicht nur online, sondern vor Ort. Spür die Deckenhöhe, hör den Lärm, prüfe die Lichtverhältnisse.
- Lass einen Energieberater einen Altbau prüfen - das kostet 200-400 €, spart aber später Tausende.
- Prüfe, ob der Neubau den KfW-40-Standard hat - nicht nur „Energieeffizient“ steht auf der Werbung.
- Rechne die Gesamtkosten aus: Kaufpreis + Sanierung + Heizkosten + Versicherung über 10 Jahre.
- Frage nach Fördermitteln: KfW, BAFA, lokale Programme - manche Städte zahlen bis zu 30.000 € für Altbausanierungen.
Es ist nicht die billigste Wohnung, die du bekommst. Es ist die, die du langfristig lieben kannst.
Ist ein Altbau immer teurer als ein Neubau?
Nein. Der Kaufpreis eines Altbau ist oft 15-20 % niedriger als bei vergleichbaren Neubauten. Aber die Sanierungskosten können bis zu 40 % der Kaufsumme ausmachen. Wenn du einen Altbau ohne Sanierung kaufst, ist er günstiger. Wenn du ihn sanierst, liegen die Gesamtkosten oft nahe bei denen eines Neubaus - aber du bekommst mehr Raum, bessere Lage und mehr Charme.
Kann man einen Altbau wirklich energieeffizient machen?
Ja, aber es ist aufwendig. Mit moderner Dämmung, neuen Fenstern, einer Wärmepumpe und einer Lüftungsanlage kannst du den Energiebedarf eines Altbaus um 50-70 % senken. Viele sanierte Altbauten erreichen heute den KfW-70-Standard. Mit staatlichen Fördermitteln (bis zu 25 %) wird es sogar wirtschaftlich attraktiv. Der Charme bleibt - die Kosten sinken.
Warum sind Neubauten oft teurer, obwohl sie modern sind?
Weil Baukosten steigen. Material, Arbeitskräfte, Zinsen und Grundstückspreise sind 2025 deutlich höher als vor fünf Jahren. Ein Neubau kostet 1.800-2.500 € pro Quadratmeter - und das ist noch günstig. Zudem müssen Neubauten strenge Energiestandards erfüllen, was die Konstruktion teurer macht. Altbauten haben keine solchen Anforderungen - sie sind einfach da. Und das macht sie oft günstiger im Einkauf.
Welcher Typ hat die bessere Wertentwicklung?
Sanierte Altbauten in zentralen Lagen steigen seit 2020 mit 5,2 % pro Jahr im Wert - etwas schneller als Neubauten mit 4,7 %. Der Grund: Platz, Lage und Charme sind knapp. Neubauten in Randlagen stagnieren. Wer in der Stadt wohnen will, zahlt mehr - und bekommt mehr Wert. Ein Altbau in der Innenstadt ist kein Luxus - er ist eine Investition in Zukunft.
Sollte ich einen Altbau kaufen, wenn ich keine Renoviererfahrung habe?
Nur, wenn du bereit bist, Experten einzuschalten. Ein Altbau ohne Sanierung ist wie ein Auto mit kaputtem Motor - du kannst ihn fahren, aber du musst ihn reparieren. Du brauchst einen Energieberater, einen Statiker, einen Architekten. Das kostet Geld - aber es verhindert teure Fehler. Wenn du dich nicht traut, einen Neubau ist die sicherere Wahl. Aber du gibst etwas auf: Raum, Geschichte, Identität.
5 Kommentare
Susanne Lübcke November 21 2025
Ich hab letztes Jahr nen Altbau gekauft, weil ich die Deckenhöhe liebte – und jetzt sitz ich inmitten von Stuck, alten Türen und einer Heizung, die wie ein Dampflok pfeift. Aber weißt du was? Jeden Morgen, wenn das Licht durch die alten Fenster fällt, denk ich: das war’s wert. Kein Neubau gibt dir das Gefühl, in einer Geschichte zu leben. Nur ein Altbau macht dich zum Teil der Zeit.
karla S.G November 22 2025
Neubau? Pfft. Wer heute noch Altbau kauft, ist entweder romantisch verblendete Nostalgiker oder hat keinen Plan von Energieeffizienz. Die Zukunft ist smart, sparsam und ohne Schimmel in den Wänden. Wer 2025 noch Bleirohre akzeptiert, hat keine Ahnung von Gesundheit. Und nein, Förderung ändert nichts an der Tatsache: Altbau ist ein finanzielles Loch mit Stuck.
Stefan Lohr November 23 2025
Die Zahlen im Artikel sind korrekt, aber die Interpretation ist einseitig. Der Vergleich zwischen Altbau und Neubau ignoriert die langfristige Instandhaltung. Ein Altbau mit 250 % höherem Energiebedarf bleibt ein Energieverschwender – egal wie viel Stuck dran ist. Die Förderung ist eine Subventionierung von Ineffizienz. Wer wirtschaftlich denkt, wählt Neubau. Punkt.
Elin Lim November 23 2025
Charme ist teuer. Bequemlichkeit ist billig. Beides ist eine Wahl. Kein Richter. Kein Gesetz. Nur du und deine Prioritäten.
INGEBORG RIEDMAIER November 25 2025
Die Analyse der Gesamtkostenstruktur ist methodisch fundiert, jedoch sollte die Diskussion um die Wertentwicklung um die Variable der Liquidität erweitert werden. Sanierte Altbauten in zentralen Lagen weisen eine höhere Resilienz gegenüber Marktschwankungen auf, da sie durch kulturelle und historische Signifikanz eine inelastische Nachfrage generieren. Im Gegensatz dazu ist die Wertentwicklung von Neubauten stark korreliert mit makroökonomischen Faktoren wie Zinsen und Baukostenindizes. Eine strategische Immobilienentscheidung erfordert daher eine multivariate Bewertung, die nicht nur monetäre, sondern auch sozio-kulturelle Dimensionen einbezieht.